Alle, die im österreichischen Gesundheitssystem arbeiten oder dieses beobachten wissen, dass die Coronavirus-Pandemie ihre Spuren hinterlassen hat. Digitalisierungsschub und Selbstverantwortung sind zwei der Schlagwörter, die immer wieder gefallen sind. Sind die Änderungen aber wirklich so tiefgehend und sind sie vorallem auch nachhaltig? Wir haben drei unserer Kurator:innen um ihre Impuls-Antworten auf drei Fragen gebeten.
Maria Kletečka-Pulker
Mag. Dr. Maria Kletečka-Pulker
- Dr. iur, geboren 1969 in Wien, verheiratet mit Univ.-Prof. Dr. Andreas Kletečka (Universität Salzburg), 2 Kinder.
- 1990 bis 1996 Studium der Rechtswissenschaften in Wien,
- 1997 Gerichtspraxis im Sprengel des OLG Wien,
- 1998 - 2000 Vertragsassistentin im Institut für Recht und Religion der Universität Wien,
- 1998 - 1999 Vertragsbedienstete im Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales,
- 2001 Univ.-Ass. am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien,
- 2004 Doktorat der Rechtswissenschaften,
- seit 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Medizinischen Universität Wien und Geschäftsführerin am Institut für Ethik und Recht in der Medizin (Forschungsplattform der Universität Wien),
- 2007 bis 2010 stellvertretende Vorsitzende der Kommission des Obersten Sanitätsrates zur Qualitätssicherung in der Suchterkrankung,
- seit 2008 Geschäftsführerin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit (ANetPAS),
- 2008 bis 2013 wissenschaftliche Leiterin des Universitätslehrgangs "Patientensicherheit und Qualität im Gesundheitssystem";
- seit 2009 Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt; Lektorin an der Universität Wien, an der Medizinischen Universität Wien (Humanmedizin, Zahnmedizin, Postgraduale Lehrgänge) etc; Herausgeberin des Handbuchs Medizinrecht für die Praxis (Verlag Manz) sowie Autorin zahlreicher medizinrechtlicher Beiträge.
Thomas Wochele
Dr. Thomas Wochele
Berufliches
- Seit 04/2015: Ärztlicher Leiter der Caritas der Erzdiözese Wien
- Co Investigator beim Ludwig Boltzmann Institut für Digital health and patient safety
- Arzt für Allgemeinmedizin, Psychiater, Psychotherapeut
- Davor tätig als Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am Universitätsklinikum Tulln und als Wahlarzt in eigener Praxis
Sonstige aktuelle Tätigkeiten
- Mitglied des Obersten Sanitätsrates
- Advisory board Austrian Health Forum
- Advisory board Forum Alpbach ( Gesundheitsgespräche)
- Zuständig für die „AG Ethik in der Psychiatrie“ in der ÖGPP
Vorstandstätigkeiten
- Plattform Patientensicherheit
- Anton Proksch Institut
- Kriseninterventionszentrum
- Milton Erickson Gesellschaft
Aktuelle Schwerpunkte der Tätigkeit in der Pandemie
- Mitglied des Krisenstabs der Caritas der ED Wien
- Verantwortlich für das betriebliche Gesundheitsmanagement / Arbeitsmedizin, Hygiene Gewaltprävention etc. in den Einrichtungen der Caritas der ED Wien
- Verantwortlich für das medizinische Konzept der Einrichtungen der Caritas der ED Wien
- Einführung von telemedizinischen Lösungen zur Versorgung von BewohnerInnen in Pflegewohnhäusern in der Pandemie & Begleitforschung
Die Coronavirus-Krise hat viele Änderungen im österreichischen Gesundheitssystem angestoßen. Aber was hat sich denn aus Ihrer Sicht wirklich geändert?
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- Fialka: "Die COVID-19 Pandemie hat definitiv dazu geführt, dass wir digitaler geworden sind. Sie hat ganz Österreich, der ganzen Welt, denke ich, einen Digitalisierungsschub gegeben. Ganz besonders in der Gesundheitsökonomie ist das natürlich etwas Positives."
- Kletecka-Pulker: "Das Spannendste, finde ich, ist, dass sich das Sicherheitsbewusstsein sehr verändert hat. Leute legen mehr Wert auf Hygiene oder überhaupt auf ihre persönliche Sicherheit im Krankenhaus – was wir uns im Bereich der Patienten:innensicherheit schon lange gewünscht haben und jetzt auf einmal sehr gut funktioniert."
- Wochele: "Dadurch dass Ärzt:innen nicht mehr so einfach zu den Patient:innen konnten, gab es eine sehr große Bereitschaft, sich mit Telemedizin auseinanderzusetzen, und dadurch auf eine neue Art und Weise mit den Patient:innen in Beziehung zu treten. Diese Bereitschaft, sich mit Technologien auseinanderzusetzen, war deutlich größer als davor."
Aus Ihrer Perspektive, was ist – trotz Corona – gleich geblieben im Gesundheitswesen?
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- Fialka: "Was sich nicht geändert hat ist, denke ich, die grundsätzliche Einstellung von Patient:innen zum Gesundheitswesen. Die Erwartungshaltung in Österreich ist nach wie vor schon ein wenig, dass sich der Staat um meine Gesundheit kümmert. Die Eigenverantwortung hat bei den Maßnahmen gegen die Pandemie sehr gut geholfen – in der Gesundheitsökonomie müssen wir da noch nachlegen. Was sich auch noch nicht wesentlich geändert hat, ist die Regulative, die natürlich noch nicht nachziehen konnte. Man bemüht sich weltweit Innovationen zu beschleunigen, indem man auch diskutiert, wie wir in der Zulassung schneller sein können. Da sind wir aber noch nicht – da müssen wir erst hin."
- Kletecka-Pulker: "Gleich geblieben sind die Ressourcen, die von der Gesundheitspolitik zur Verfügung gestellt werden. Das betrifft die Gesundheitsberufe aber auch die Rahmenbedingungen – etwa telemedizinische Lösungen – und die finanziellen Möglichkeiten, Dinge im Gesundheitsbereich zu verändern."
- Wochele: "Auch wenn es jetzt diese Bereitschaft gab, sich mit den neuen Technologien auseinanderzusetzen, fehlt noch das übergeordnete Miteinander. Es fehlt eine Struktur, wo verschiedene fortschrittliche Applikationen so vernetzt sind, dass es sowohl für die Anwender als auch für die Patient:innen so einfach wird, dass man eine Telemedizin 3.0 – wie sie bereits technisch möglich ist – auch tatsächlich umsetzen kann."
Was muss Ihrer Meinung nach jetzt passieren, damit Positives aus der Krise mitgenommen werden kann?
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- Fialka: "Ganz klar, es gibt ein paar positive Dinge, die passiert sind – zum Beispiel das E-Rezept; ein paar Digitalisierungsschübe eben, die man einfach mitnehmen muss, um die Effizienz beizubehalten. Was wir auch mitnehmen müssen ist, besser für die nächste Pandemie gerüstet zu sein. Das war ein relativ harmloses Virus – das kann beim nächsten Mal ganz anders sein; es kann sich auch noch verändern. Wir müssen das Learning mitnehmen, dass wir auf solche weltweiten oder auch regionalen Gegebenheiten besser vorbereitet sein müssen: organisatorisch, regulatorisch und dringend auch auf der Bevölkerungs- und Gesellschaftsebene."
- Kletecka-Pulker: "Meines Erachtens nach wäre es am wichtigsten, jetzt diese Chance zu nutzen, wo sich doch vieles verändert hat und der Fokus stärker auf die Sicherheit und die Gesundheit des Einzelnen gerichtet ist. Man muss nun weiter Maßnahmen umsetzen, die helfen, dass PatientInnen im Mittelpunkt ihrer Gesundheitsförderung bleiben."
- Wochele: "Ich glaube es ist wichtig, dass sich die großen Player jetzt an einen Tisch setzen und das große Ganze im Auge behalten. Sie müssen schnell Maßnahmen setzen, weil es in der nächsten Welle oder in den nächsten Clustern Erkrankungen geben wird, von denen wir zunächst nicht wissen werden, ob es sich dabei um Influenza, COVID-19 oder ganz etwas anderes handelt. Wir brauchen dann schnelle, gut abgestimmte Lösungen, die wir nur gemeinsam schaffen können. Was wir daher wirklich dringend brauchen, ist eine gemeinsame Abstimmung der großen Player, die für das Gesundheitssystem verantwortlich sind."